Berge 2: Die Stille am Berg

Die Stille am Berg ist keine gewöhnliche Stille, sondern ein Raum, in dem jedes Geräusch klarer klingt. Das Knirschen der eigenen Schritte im Geröll, das ferne Rauschen eines Bachs, das leise Pfeifen des Windes über den Grat – all das tritt hervor, weil kein Lärm sie überdeckt.

Die Stille am Berg ist keine gewöhnliche Stille, sondern ein Raum, in dem jedes Geräusch klarer klingt.

Oben am Berg wird die Stille fast zu einer Begleiterin. Sie öffnet den Blick nach innen, lässt Gedanken ruhiger werden und gibt eine Ahnung davon, wie klein und zugleich verbunden man ist. Zwischen Himmel und Erde, umgeben von Felsen, Schnee und Licht, wird das Schweigen zu einer Sprache, die nichts erklären muss und doch alles erzählt.

Das Knirschen der eigenen Schritte im Geröll öffnet Blick nach innen…

Die Stille am Berg trägt eine Kraft in sich: Sie kann beruhigen, erden, aber auch Demut lehren. Denn in ihr spürt man, dass der Mensch nur ein Gast ist in einer Welt, die weit älter und größer ist als er.

Bergwald

Berge 1: Die stille Bergwelt in Skadis Gegenwart

Unser diesjähriger Familienurlaub führte uns in die Bergwelt Österreichs, genauer gesagt ins idyllische Zillertal. Umgeben von majestätischen Gipfeln und saftig grünen Wiesen erkundeten wir tagsüber zahlreiche Wanderwege, die sowohl für Kinderfüße als auch für erwachsene Bergwanderer geeignet sind. Besonders die Almhütten mit ihren traditionellen Schmankerln waren ein Highlight – nach einer Wanderung schmeckt ein frisch zubereiteter Kaiserschmarrn  oder ein kühles Weißbier einfach doppelt so gut. Für Abwechslung sorgten Ausflüge mit der Bergbahn, die uns zu beeindruckenden Aussichtspunkten brachte.

Ein Bergurlaub kann aber auch als eine Reise „in Skadis Reich“ verstanden werden – man tritt in die Sphäre der schönen Göttin, welche die Einsamkeit, Abgeschiedenheit und Weite der Berge liebt. Skadi – die Göttin der Berge und des Winters, Fels und Wildnis sind ihr Reich. Skadis Heirat mit Njörðr (dem Gott des Meeres) steht symbolisch für den Gegensatz von Bergen und Küste. Ihr Ehemann Njörðr liebte das Rauschen der Wellen, das Kreischen der Möwen. Skadi hingegen sehnte sich nach der Stille der schneebedeckten Höhen. Wer die lautlose Weite der Berge erlebt, spürt genau diesen Unterschied. Diese Spannung lässt sich im Kontrast zwischen Nord- und Ostsee zur Bergwelt sehr gut nacherleben.

Schroffe Bergkulisse im Nebel

Und wie Skadi die Einsamkeit und Weite der Berge liebt, so fällt mir oben in den Bergen besonders die Stille auf, die dort herrscht. In weiter Ferne unten im Tal lässt sich schemenhaft das geschäftige Treiben der Menschen beobachten. Alles ist aber so winzig, dass mit dem bloßen Auge kaum ein Fixpunkt zu erfassen ist – und so auch die Geräusche; nichts davon dringt empor in die Bergwelt. Weite und Stille werden zu mythologischer Resonanz und sind ein Rückzugsort fernab der Zivilisation. Hier oben herrschen plötzlich andere Gesetze, jene der Natur … unbändig, unbeherrscht und zuweilen gnadenlos.

Die lautlose Weite, die stille Bergwelt

Thrymheim heißt die sechste, wo Thiazi hauste, jener mächtige Jote. Nun bewohnt Skadi, die scheue Götterbraut, des Vaters alte Feste.

Gipfel im Nebel – in Skadis Reich

Aufbruch
Wenn du am frühen Morgen den Weg antrittst, bist du nicht nur ein Wanderer oder Bergsteiger – du bist ein Gast in Skadis Reich. Der erste Schritt erinnert an ihre Wahl: Sie verließ die Götterhallen, um bei den Bergen zu bleiben, weil hier ihr Herz schlägt.

Aufstieg
Das stetige Höhersteigen durch Wälder, Geröllfelder und über Schneefelder ist mehr als körperliche Anstrengung; es ist ein Bild für Skadis Stärke und Eigenständigkeit. Sie, die mit Bogen und Ski allein durch die Wildnis zieht, lebt in der Ausdauer des Wanderers, der dem Gipfel entgegenstrebt. In den Nebelschwaden lässt sich die Gegenwart der Riesen spüren, die im Mythos in Felsen und Sturm wohnen. Jeder Felsvorsprung ist wie eine Schwelle, ein Übergang in eine andere, höhere Welt.

Gipfel
Wenn du den Gipfel erreichst, trittst du in die Sphäre der Göttin. Die klare Luft, der weite Blick, die Stille – all das gleicht dem Thronsaal Skadis, Thrymheim, hoch in den Bergen.
Der Gipfel ist ein Ort des Innehaltens… ein Gruß an Skadi. In den Mythen ist Stille oft ein Tor zur Anderswelt. In der Bergstille hört man nichts.

Abstieg
Wie jeder Held im Mythos kehrt auch der Bergsteiger vom „anderen Reich“ wieder zurück. Der Abstieg trägt den Charakter der Rückkehr aus einer heiligen Sphäre in die Alltäglichkeit. Doch etwas bleibt: Die Erinnerung an die Stärke, die Freiheit und die Klarheit, die Skadi verkörpert.

Der Schmale Luzin als irdisches Spiegelbild des Urd-Brunnens

Zwischen der Stadt Feldberg und dem kleinen Ort Carwitz liegt der Schmale Luzin, ein See in der Feldberger Seenlandschaft im Osten Mecklenburgs. Das Wasser ist so klar, dass selbst die kleinsten Kiesel am Grund schimmern.

Der See Schmaler Luzin in der Feldberger Seenlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern

Erzählungen ranken sich um diesen See… Dies sei kein gewöhnlicher See. Tief unten, tiefer als Taucher gelangten, berührt er den Urd-Brunnen selbst. Ein Wurzelhaar der Weltesche reicht hierher. Das klare Wasser dieses mecklenburgischen Sees ist wie ein Moment des Urd-Brunnens, der in unsere Welt gefallen ist – ein Fenster in die Tiefe von Zeit und Schicksal, verborgen in der stillen Landschaft.

In der nordischen Mythologie ist der Urd-Brunnen (Urðarbrunnr) eine Quelle unter der Weltesche Yggdrasil, an der die drei Nornen – Urd, Verdandi und Skuld – das Schicksal weben. Das Wasser dieses Brunnens ist klar, rein und heilig; es speist das Leben des Weltenbaums und bewahrt ihn vor dem Verfall. Es steht zugleich für Ursprung, Erinnerung und kosmische Ordnung.

Im klaren Wasser schimmern die Steine am Grund.

Als meine Frau und ich letzte Woche um diesen See wanderten, kam mir der Gedanke, dass man die Kulisse als eine Art irdisches Spiegelbild dieses mythischen Brunnens begreifen kann.

Tiefe – Das klare Wasser lässt einen tief hinabsehen, wie der Urd-Brunnen erlaubt es symbolisch in die Tiefe zu blicken.
Verbindung von Natur und Schicksal – So wie die Nornen aus dem Urd-Brunnen schöpfen, um den Weltenbaum zu erhalten, nährt ein See das umliegende Ökosystem und steht für Lebensspende.
Ort der Erinnerung – Der Urd-Brunnen ist eng mit „Urd“ = „das Gewesene“ verknüpft. Auch ein See wirkt wie ein stilles Gedächtnis der Landschaft, in dem sich Jahrhunderte, ach was sage ich… Jahrtausende widerspiegeln.
Heilige Stille – In vorchristlichen Vorstellungen sind klare Quellen und Seen Übergänge in andere Welten, so wie der Urd-Brunnen die Verbindung zwischen den Welten hütet.

Wanderung auf dem Moselsteig

Es gibt Wege, die geht man allein. Und es gibt Wege, die geht man besser gemeinsam. Vielleicht nicht auf ganzer Länge, doch zumindest in Abschnitten – also auch im übertragenen Sinne. Und was in diesem Fall für den Buchsbaum-Wanderpfad gilt, der die Orte Karden und Müden in Rheinland-Pfalz verbindet, und ein Abschnitt des Moselsteig-Wanderwegs ist, so gilt dies auch für Asentr.eu.

Schmale Pfade durch Laubwälder

Stilkam, Gründer der Asentr.eu-Seiten, und ich wanderten am Wochenende einen Abschnitt des Moselsteigs – einen der schönsten Fernwanderwege Deutschlands. Zwischen sanften Hügeln, malerischen Winzerdörfern und dem glitzernden Lauf der Mosel erlebten wir einen Tag voller Natur, Ruhe und Verbundenheit. Sinnbildlich steht dies gewissermaßen auch für unseren Weg der Asentr.eu-Seiten, der uns miteinander verbindet. Manches gingen und gehen wir allein, manches aber auch zusammen. Dies zeigt die durchaus wechsel- und lebhafte Geschichte der Seiten…

Über 30 Jahre Stilkams Asatru-Seiten

Als 1994 die ersten simplen Seiten online gingen, begann die Geschichte von Stilkams Asatruseiten. Zum damaligen Zeitpunkt fand Asatru im deutschsprachigen Netz noch so gut wie gar nicht statt. Über einige Namenswechsel und inhaltliche Weiterentwicklungen übernahm ich im Jahr 2013 dann die Seiten von Stilkam, änderte sie in das heutige Format und betreibe und pflege sie seitdem unter dem Namen Asentr.eu weiter. Was die Seiten auch zeigen ist, dass es in der Praxis nicht immer nur um das größtmögliche theoretische Wissen geht, sondern darum, den eigenen Weg zu finden, den Göttern, Ahnen und Wesen im Blót Ehre zu erweisen. Auf Asentr.eu findet man solides Basiswissen, wie sowas aussehen kann. Es gibt Wege, die geht man allein. Und es gibt Wege, die geht man besser gemeinsam.

Mehr dazu auf Asentr.eu – Geschichte der Seiten (Link öffnet sich im neuen Tab)

Zwischen sanften Hügeln, malerischen Winzerdörfern und dem glitzernden Mosellauf schlängelt sich der Moselsteig

Frühstart im leichten Hügelland des Maifelds

Zurück zur Moselsteig-Wanderung zwischen Weinberg und Weitblick. Unsere Wanderung startete am Morgen in den leichten Hügeln des Maifelds, wo die ersten Sonnenstrahlen bereits die welligen Getreidefelder zum Leuchten brachten. Der Duft von feuchtem Gras und die klare Luft machten sofort klar: Heute wird ein besonderer Tag. Der Anstieg zu Beginn war moderat, führte uns aber schnell hoch über das Tal – und bescherte uns einen der ersten Aussichtsmomente, die man auf dem Moselsteig so schnell nicht vergisst: Die Mosel zog sich wie ein silbernes Band durch die Landschaft, eingerahmt von Weinreben, Fachwerkhäusern und stillen Wäldern.

Das Maifeld ist ein Landschaftsteil des Mittelrheinischen Beckens an der westlichen Nahtstelle zur Eifel südwestlich von Koblenz, der besonders durch seine leichten Hügel auffällt.
Blick auf die Mosel

Was den Moselsteig so besonders macht, ist seine Vielseitigkeit: Schmale Pfade durch Laubwälder, weite Panoramastrecken über die Höhen und immer wieder kleine Rastplätze mit Blick ins Tal. Wir wanderten Seite an Seite, mal in Stille, mal im Gespräch, begleitet vom Rascheln der Blätter und dem Zwitschern der Vögel. Kein Lärm, keine Eile – nur der weite Blick in die Natur.

Martberg

Zur Mittagszeit erreichten wir nach einem steilen Aufstieg den umfriedeten Tempelbezirk des rekonstruierten keltisch-römischen Umgangstempels auf dem Martberg/Eifel.

https://de.wikipedia.org/wiki/Martberg

Umgangstempels auf dem Martberg
Frühkeltische Holzstele

Nach einer erholsamen Pause führte der Weg weiter durch schattige Wälder und über sonnige Höhenzüge. Besonders eindrucksvoll war der Abschnitt mit Felsen und Wurzelpfaden im Tal der Brohlbach.

Im kühlen Tal der Brohlbach
Zeitlos überdauert, umhüllt von der Ewigkeit

Zu guter Letzt


Wandern verkörpert Einfachheit, Erdung und Rückbesinnung auf das Ursprüngliche. Abgelegene Wege bieten ungestörte Momente und geben Raum für Naturerfahrung und persönliche Einkehr.

Insgesamt war unsere Wanderung 17 km lang mit 450 Höhenmeter Aufstieg. Es war ein tolles Erlebnis und ich danke Stilkam für die Tourplanung.

Ein Weg kennt wohl der Weise allein,
wenn er wandert in der Ferne;
der Kluge kommt mit Kenntnis weiter,
wer wenig weiß, der bleibt zurück.

(Hávamál, Vers 18, frei übersetzt aus dem Altisländischen)

Erfahrung und Orientierung auf Reisen, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Wandern ist nicht nur Fortbewegung, sondern auch eine Reise des Geistes, bei der Klugheit den Weg ebnet.