Traue nicht dem frühbesäten Acker, sagt ein Eddaspruch (Hávamál 88), denn veðr ræðr akri, was soviel heißt wie… den Wuchs lenkt das Wetter.
Früher war es so, dass die Ernte nicht das Ergebnis einer Produktionsschlacht gewesen ist, sondern eine Gabe, die dem mitunter von Entbehrungen geprägten Dasein mühsam abgerungen werden musste. Dafür war mancherlei Segen nötig; der Segen der Götter, welche beim Frühlingsopfer angerufen wurden, die huldvolle Hilfe der Landwichte und anderen Wesen in Feld und Flur und zuletzt auch das Wohlwollen der freundlichen Ahnengeister. Dieser Segen war notwendig, um die Gabe der oft harschen Umwelt abzutrotzen – einer Umwelt, in die plötzlich feindliche Mächte einbrechen konnten: übermäßige Dürre oder starke Nässe, Hagelschlag und Gewitterstürme, Überschwemmungen oder Bergsturz können in einem Augenblick die Aussicht auf eine gute Ernte zunichte machen.
Auch heute erleben wir noch dieses Zusammenwirken mit der Natur, sei es auf dem Hof und im Garten oder bei kleinen wie großen Pflanzen. So wird das alltägliche Leben zwar noch nicht zu einer fortwährenden heiligen Handlung, aber es bekommt in einigen Momenten doch eine gesteigerte Intensität, die unmittelbar in die Sphäre der Götter hineinreicht. Daher wird der Lauf des Jahres – und des Lebens – von althergebrachten Kulthandlungen begleitet, die in den bedeutungsvollen Augenblicken in feierliche Feste münden. Im Grunde kann man sagen, dass im profanen Alltag immer auch ein Hauch des religiösen Erlebnisses im Hintergrund mitschwingt. Das nimmt man oft gar nicht wahr, weil Arbeit, Anspannung und Beschäftigung in den Vordergrund rücken. Doch hin und wieder erscheinen diese kurzen Momente, die die Aussicht auf den sonst verhüllten Hintergrund aufreißen.