Sonne und Mond (Sól og Maní) begleiten uns im Jahreslauf. Sól ist der Mythologie nach eine der Asinnen. Ob Maní ebenfalls zu den Asen zählt, ist nicht ganz sicher. Ihre Wagen werden von Pferden über den Himmel gezogen, von Árvakr und Alsvidr. Dabei werden sie fortlaufend von Wölfen verfolgt, von Hati und Sköll. Eines fernen Tages holen sie Sól und Maní womöglich ein und Ragnarök bricht heran. Der Maler J.C. Dollmann hat diese Szene um 1900 in seinem Gemälde „The wolves pursuing Sol and Mani“ festgehalten.
Früher war man sich in den dunkelsten Nächten des Jahres wahrscheinlich nie ganz sicher, ob sich das große Rad des Jahres weiter dreht. Im Grunde hat sich daran rein gar nichts geändert, nur dass wir jetzt in moderneren Zeiten mit technischen Mitteln leben, die uns Gewissheit geben.
Ein Blót für ein gutes Jahr
Beim ersten Vollmond des Jahres haben wir ein Blót abgehalten, um den neuen Jahreslauf zu begrüßen und die waltenden Mächte um Glück, Gesundheit, Schutz und Erfolg anzurufen (Asentr.eu: til árs ok friðar). Im Mondkalender, der im Jahreskreis zu sehen ist, lassen sich die Mondphasen gut nachvollziehen.
Frühlingsstürme, Schnee, Regen und Sonnenschein – die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf. Die noch winterkalte Erde schlummert bedächtig unter dem Laub. Doch damit ist nun langsam Schluss. Sól steigt in ihrer Bahn und wärmt nicht nur meinen Rücken bei der Gartenarbeit, sondern erweckt ringsum alles zu neuem Leben.
Rings aufleuchtend und in ein helles Kleid gehüllt, unsterbliche Göttin auf lichtem Wagen. Uralt, doch immer jung, allen Wesen zugewandt bringst hervor das aufsteigende Licht.
In früheren Vorstellungen lagen die beiden Gewalten des Winters und des Sommers in einem fortwährenden Wettstreit: die lichte, fruchtbare Lebenskraft mußte den dunklen, alles erstarrenden Winter besiegen. Unter damaligen Lebensbedingungen konnte der Winter existenzbedrohende Auswirkungen haben. Heute denken wir das alles sei weit weg und tun dies als Relikte einer längst vergangenen Zeit ab. Doch ist das wirklich so? Auf dem Land oder auch auf dem eigenen Grundstück mit eigenen Tieren ist das spürbar; vor wenigen Tagen starb bei uns ein junges Huhn. Vermutlich durch den Winter geschwächt, trotz perfekter Haltungsbedingungen. Sowas kommt vor, sagt man sich auf dem Lande. Und damit gehört es in den großen Kreislauf des Kommens und Gehens. Und heute macht sich noch im Kleinen bemerkbar, was früher zum durchaus leidvollen Alltag gehörte. Der Kreislauf…
Ostara läutet die Wiederkehr und damit auch das Fortschreiten ein. Welch ein glücklicher Zeitpunkt, denn nun bin ich gewiss, dass der Winter sein Ende nimmt. Die Frostriesen stürmen zwar jeden Abend gegen die Feste Midgards an, doch nicht mehr zum Fimbulwinter! Ostara zeigt mir, dass es nicht so ist. Wenn wir uns also im Grunde die uralten Felsritzungen ansehen, dann kommen wir nach der Winterstarre so langsam wieder in die aufwärtsstrebende Spirale und können damit sichergehen, dass sich die Aussaat lohnt. Das ist der Sinn des Kreislaufs. Denn als ich bei -20 C° im nahegelegenen Moor die umgestürzten Bäume der vergangenen Herbststürme zersägte, war ich mir aus unserer infrastrukturell und gesellschaftlich abgesicherten Lebensweise zwar sicher, dass es weitergeht. Doch im Innern lehrt mich doch mein mythologisches Weltbild, dass es jederzeit vorbei sein kann.
Daher ehre ich das Heilige, das sich in der Natur manifestiert. Bei uns auf dem Hof habe ich dem Heiligen einen Bereich gewidmet und eine räumliche Grenze geschaffen. Ich nenne es mein Steinheiligtum. Hier beobachte ich im Verlauf des Jahres die verschiedenen Gesichter der Jahreszeiten… doch das Sichtbare darf nicht darüber hinweg täuschen, dass wir den Waltenden überall und zu jeder Zeit begegnen können. Die Grenze zwischen heilig und profan setzt zwar eine bewusste Trennung. Aber gerade jetzt in der Zeit Ostaras können wir unseren Blick jeden Morgen gen Morgenröte richten und sehen diesen wunderbaren reich geschmückten Wagen, auf dem Ostara uns entgegen fährt. Es ist einfach toll. Wie können wir den Göttern für so ein Geschenk mehr danken, als durch treuebesiegelten Gabentausch?
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