Anfang Juni reiste ich mit einem Freund nach Schweden und habe dort einige Tage in einer abgelegenen Hütte mitten in Småland (Südschweden) verbracht, in der Nähe von Fagerhult und Högsby. Die Landschaft ist geprägt von endlosen Wäldern, tiefblauen Seen, sanften Hügeln und roten Holzhäuschen mit weißen Fensterrahmen – typisch für das schwedische Landleben.

Zwischen Himmel und Wasser – Eine Reise mit Skidbladnir
Wenn man durch Schweden reist – durch die endlosen Wälder, an Felsen vorbei, die aussehen wie schlafende Riesen, und entlang stiller Seen –, begibt man sich nicht nur auf eine geografische, sondern auf eine seelische Reise. Hier lebt noch etwas zwischen Himmel und Erde, etwas, das in Nebel gehüllt ist und doch ganz nah.

Kurz vor der Sommersonnenwende werden die Nächte selbst hier in Südschweden kaum noch richtig dunkel. So stand ich an einem frühen klaren Morgen gegen 4 Uhr an einem abgelegenen See. Der Wind trägt den Duft von Birken und Moos. Die Wolken treiben langsam über den Himmel, schwerelos wie Göttergedanken. Und auf der glatten Oberfläche des Wassers – da spiegelt sich nicht nur der Himmel. Da öffnet sich etwas.
Vet du, hur du rista skall? Vet du, hur du reda skall?
Vet du, hur du färga skall? Vet du, hur du fresta skall?
Vet du, hur du bedja skall? Vet du, hur du blota skall?
Vet du, hur du sända skall? Vet du, hur du slopa skall?
Weißt du zu ritzen? Weißt du zu erraten?
Weißt du zu finden? Weißt zu erforschen?
Weißt du zu bitten? Weißt Opfer zu bieten?
Weißt du zu senden? Weißt Opfer zu tilgen?
(Hávamál, Vers 145)

In diesem Moment ruft ein Name aus der Tiefe der Zeit: Skidbladnir.
Das sagenhafte Schiff des Freyr, das sich zusammenfalten lässt wie ein Tuch und dennoch ganze Heerscharen tragen kann – gebaut von den geschicktesten Zwergen aus Svartalfheim. Es segelt bei jedem Wind, kennt kein Hindernis. Und heute scheint es über diesen See zu gleiten, lautlos und unsichtbar, als Bild in meinem Innern.
Skidbladnir heißt das Schiff,
der beste Bau, den Menschen je kannten.
Alle Asen und ihre Waffen finden darin Platz,
und doch kann man’s in die Tasche falten.
(Snorra Edda, Gylfaginning)
Skidbladnir ist mehr als ein Mythos. Es ist ein Symbol für Übergang, für die Reise zwischen den Welten – zwischen Außen und Innen, Erinnerung und Gegenwart. Vielleicht ist dieses Schiff nicht aus Holz, sondern aus Ahnung gebaut, aus Sehnsucht nach Ursprung. Die Wolken am Himmel werden zu Segeln. Der See wird zum Spiegel zwischen Midgard und einer anderen, helleren Welt. Ich sehe keinen Horizont mehr – nur Übergänge.
Yggdrasils Esche leidet viel,
mehr als Menschen wissen;
ein Hirsch frisst an ihr oben,
unten nagt Nidhögg,
und die Stämme faulen dazwischen.
(Grímnismál)

Wie Yggdrasil die Welten verbindet, so verbindet dieser Ort – dieser See – die Ebenen in mir. Ich reise nicht nur durch Schweden. Ich reise durch eine Welt, die längst in Runen geschrieben steht, in Steinen, die schweigen, aber nicht vergessen.
Vielleicht ist es das, was die alten Götter uns geben: Kein Dogma, keine feste Lehre – sondern einen Weg, der durch Wind und Wasser, durch Mythen und Nebel führt. Und manchmal, wenn wir bereit sind, nimmt uns Skidbladnir mit.
Beruhigende Zeilen
Vielen Dank