Vollmond im Gilbhard – Herbstlicher Spiegel der Anderswelt

Gilbhart ist ein alter Name für den Monat Oktober, der sich vom gelb färbenden Laub (gilben) ableitet. Es ist die Zeit, in der die Schleier zwischen den Welten dünner werden und der Wind das welke Laub über den Waldboden treibt.

Oktober-Vollmond
Herbstfarben im Abendlicht

Wir sind im nahegelegenen Torfmoor, einer naturwilden Umgebung inmitten der Mecklenburger Einöde – einer wenig besiedelten Landschaft, die in Wälder, Seen und weite Felder eingerahmt ist. Am Abend steigt der Mond empor. Sein helles Licht fällt kalt und klar auf den dunklen Spiegel des Moorteichs. Zeit und Raum verlieren an Bedeutung…

Oktober-Vollmond
Nun erhebt sich der Oktober-Vollmond mit stiller, uralter Kraft.

Hier, wo das Wasser ja so dunkel in die Erde sinkt, zeigt sich der Mond in doppelter Gestalt: am Himmel über uns und in den Tiefen unter uns. Dies ist die Stunde, in der die Anderswelt atmet, und in der die Alten Götter durch das Rascheln der Schilfhalme zu flüstern scheinen.

Der Jägermond, wie er im Oktober auch oft genannt wird, bringt eine Energie des Rückzugs, der Ahnenverbundenheit und der Einkehr. Die Jagd hat begonnen – nicht nur im äußeren Sinn, sondern auch im Inneren: Wir jagen nach Ursprünglichkeit, nach Wahrheit, nach Unverfälschtheit, nach Echtheit und Erkenntnis… nach dem, was wir auf unseren Weg in die dunkle Jahreszeit mitnehmen wollen.

Oktober-Vollmond
Das Licht fällt auf den dunklen Spiegel des Moorteichs
Oktober-Vollmond
Wir zünden ein Lagerfeuer an…

Im stillen Wasser des Torfteiches – geformt in den Nebeln der Zeit – wird der Mond zur Schwelle. Seine Spiegelung ist mehr als nur Licht… Der Vollmond bringt uns transzendente Stille, die unsere Gedanken und Wahrnehmung über die erkennbare Welt hinausgleiten lässt.

Oktober-Vollmond
Die herbstliche (und alsbald auch winterliche) Dunkelheit wird uns nun noch eine Weile begleiten.

Zeit der Disen

Wenn die Tage schwanken zwischen Frühlingshauch und bitterer Kälte, wenn man sich freut, dass die Tage langsam wieder länger werden und man denkt, dass einem die erste Frühlingssonne den Rücken wärmt, doch nachts wieder klirrender Frost Einzug hält, ja dann ist mit einiger Gewissheit die Zeit der Disen gekommen. Der Jahreslauf hat längst begonnen und der zweite Vollmond steht am Himmel. Im noch winterkalten Frühjahr, in der Zeit zwischen Jul und Ostara, beginnt das Disenblót.

Wenn sich Arvakr und Alsvidr aus der Morgenröte erheben,
um jeden Tag in aller Früh den Sonnenwagen der Sól
geschwind zu ziehen entlang der Himmelsbahn…
…folgt am Abend
Máni, Bruder der Sól
empor im vollen Lichte,
vor dem blauen Gewand,
in den Nächten des Winters,
der Zeit der heil’gen Disen!

Beim Disenblót (Februar Vollmond) dankt man den Disen und Wesen des Ortes für ihr schützendes und wohlwollendes Wirken in der persönlichen Umgebung. Disen sorgen sich um häuslichen Wohlstand und den Segen der Familie im Sinne von Glück, Gedeihen, Bewahrung und Schutz durch heilvolle Zuwendung. Man stellt ihnen kleine Opfergaben heraus wie zum Beispiel Honig, Butter, Nüsse, Äpfel oder anderes.

Honig, Butter, Apfel und Walnüsse aus eigener Ernte

Heil sei Euch heilige Disen!
Gabenspendende, Segen und Fülle Sendende.
Ihr beschützt und beschenkt
Unser Haus und Hof.
Und wirkt in Wald und Flur.
Frauen bringt ihr sichere Geburt,
lasst Kinder wachsen und wohl gedeihen.
Führt Männer heil heim aus Gefahr.

Heimatliche Disen!
Gebt uns Schutz und Segen.
Lasst Heim und Hof gedeihen.
Beschützt unsere Kinder und gebt ihnen
Ein glückliches und erfülltes Leben.
Gebt Heil unseren Sippen.

Neuer Jahreskreis: Fixpunkt-Regel oder fließender Übergang?

Der neue Jahreslauf mit seinem Zyklus der vier Jahreszeiten, den Sonnenwenden und Vollmonden hat neu begonnen – und schon ist sie wieder da: die Frage aller Fragen… an welchen Zeitpunkten denn nun genau entlang der historischen Datierungen dieses oder jenes Fest gefeiert wird.

In den letzten Jahren habe ich ebenfalls (wie viele andere) eine Jahresliste aufgestellt und veröffentlicht. Heute verweise ich lieber auf die Ausführungen auf Asentr.eu zu den Jahresfesten. Die Sonnenwenden, Tagundnachtgleichen, Voll- und Neumonde kann jeder selbst leicht im Internet finden und sich dann seinen Plan zurecht legen. Das Problem bei diesen Fixpunkten ist nämlich, dass sie ein (zumindest aus meiner Sicht) zu starres System suggerieren. Natürlich lässt sich jede Sonnenwende, wie auch jeder Vollmond, auf einen definierten Zeitpunkt festlegen. Wie tages-, stunden- oder minutengenau ich mich aber daran orientiere, ist Auslegungssache.

Also: Fließendes Jahresschema vs. Fixpunkt-Regel

Das fließende Jahresschema

Mein Verständnis vom Jahreskreis orientiert sich weniger an der absoluten Festlegung gewisser Fixpunkte, wie es diverse Jahreskreis-Listen suggerieren. Vielmehr sehe ich diese Festzeitpunkte als Ankerpunkte innerhalb der Jahresabschnitte. Die Grafik soll das verdeutlichen. Damit möchte ich sagen, dass ich zum Beispiel das Disenblót nicht zwingend genau an einem Termin abhalten muss, wenn es draußen stark stürmt und ohne Ende regnet. Manche machen das vielleicht, weil sie drauf beharren – bitte, unbenommen – das kann man gern so halten. Ich sehe das aber anders. Meinem Verständnis nach beginnt ein fließender Zeitraum, der dann in den nächsten übergeht. Die Zeit nach Jul, dem noch winterkalten Frühjahr und Ostara ist ein gutes Beispiel. Die Julzeit geht mit Ende der Rauhnächte ja nicht schlagartig in den Frühling über. Dazwischen liegt die Festzeit der Disen (Dísir) (z.B. kann die Zeit der Disen am ersten Vollmond nach den Rauhnächten beginnen, also meist Ende Januar oder Februar). Natürlich kann man einen Festzeitpunkt für sein Blót planen, denn es heißt ja nicht, daß all dies völlig ungeplant vonstatten geht. Wenn der Zeitpunkt zum Vollmond jedoch nicht günstig erscheint, so ist damit die Zeit der Disen nicht vorüber… sondern hat erst begonnen, bis sie fließend in den Frühling (Ostara) übergeht.