Persönliche Empfehlung: Die heidnische Reise – Jahreskreis 2021

Seit vielen Jahren, oder um genau zu sein seit 2013, bringt Dirk Zach den Kalender „Heidnische Reise“ heraus und liefert damit einen vielseitigen und kunstvoll bebilderten Begleiter durch den Jahreskreis. Angenehm empfinde ich dabei seine Beschreibungen, die immer ausgewogen den richtigen Ton treffen und sich nicht nur allein auf germanische und keltische Aspekte konzentrieren, sondern durchaus mal den einen oder anderen Blick über den gewohnten Tellerrand wagen. Denn wer kennt sie nicht… tunnelblickartige und belehrende Texte, oder die autoritär anmutenden Jahrweiser, von denen man nie so genau weiß, in welches Horn sie stoßen.

All dies ist bei Dirk Zach’s Heidnischer Reise erfrischend anders. Hier kann man guten Gewissens zugreifen oder den Kalender auch prima an Freunde verschenken. Naturfotografien bilden das tragende Element.

Heidnische Reise

Waldstallar

Abendlich schon rauscht der Wald
Aus den tiefen Gründen,
Droben wird Allvater nun bald
Die hellen Sterne entzünden
Und im blauen Gewand uns künden
Abendlich nun rauscht der Wald.

(Eichendorff abgewandelt)

Letztens stand ich draußen an meinem Holzstapel und blickte auf das teilweise gespaltene Holz. Dabei fiel mir ein Buchenstamm ins Auge, oder eher das Stück eines Stamms. Denn dieser war aufgespalten und wie es das harte Buchenholz oft so an sich hat, spaltet es sauber entlang der Holzfaser, so dass sich manchmal fast so etwas wie kleine Brettchen bilden. Nun wog ich eben so eines prüfend in den Händen und dachte dabei an meine Runden durch die mecklenburger Waldeinsamkeit… wie sich ein kleiner Holzaltar wohl in so einer Waldlichtung machen würde?

Gut. Gut macht er sich, geradezu prächtig wie man auf dem Bild sieht. Das erwähnte Buchenstück habe ich grob zugesägt und geschliffen, so dass sich eine schöne Oberfläche ergibt. Die Füße habe ich dann geschmiedet, ebenso den Ring.

Als Freund der einfachen und archaischen Formen ist dies ein Stallar, also ein kleines Altartischchen zur leichten Mitnahme im Rucksack gedacht auf Streiftouren durch den Wald oder Blót-Wanderungen. Es gibt so viele erhabene Momente in manch waldlichtdurchfluteter Lichtung die zur kurzen Einkehr einladen, gerade dies in einer gerahmten Form zu zelebrieren.

Nun habe ich noch mal in meinem Holzstapel gestöbert und ein paar weitere Holzbohlen aus Eiche zugerichtet. Besonders nach dem Feinschliff bekommt Eiche eine ganz tolle Oberfläche. Die Götter werden’s danken, von so einem Stallar verehrt zu werden… 😉 Demnächst werde ich mit einem Freund eine langgeplante Sigrblót-Wanderung antreten und den Waldstallar dazu mitnehmen. Darüber hinaus werde ich wahrscheinlich noch einen aus dem erwähnten Eichenholz bauen und dann überlegen, ob ich den hier unter Unikate reinstelle. Bis dahin… es rauscht der Wald.

Wo göttliche Mächte walten

Wenn ich hin und wieder in den alten Eddas und Sagas lese, dann werde ich mir oft der Tatsache bewusst, wie nüchtern die Menschen dieser Zeit ihren Alttag bestritten. In der Bestellung des Ackers, beim Fischfang und bei der Schifffahrt oder im Kampf mit einem Gegner fühlten sie sich offenbar recht wenig von kultischen Vorschriften behindert. Sie pflegten einen geradezu natürlichen Umgang mit ihrem von göttlichem Wirken durchzogenem Leben und zollten den religiösen Grundlagen dennoch gebührenden Respekt.

Heute ist das nicht anders: Unser alltägliches Leben und Handeln ist eingebettet in eine unverrückbare Ordnung, in der die göttlichen Mächte zwar nicht immer wahrnehmbar im Blickfeld stehen, doch in entscheidenden Momenten eine unmittelbare Rolle spielen können.

Nun stand ich letztens in meiner Werkstatt und dachte, wie schön kreatives Schaffen, gestaltende Kräfte, die richtigen Einfälle und Verwirklichung doch sind. Diese Orte der Inspiration können ganz unterschiedlich sein. Und dann kommen doch manchmal diese Momente, in denen die Hülle des profanen Alltags aufreißt und einen innehalten lässt. Für diese Augenblicke der kurzen Einkehr ohne größere kultische Vorschriften habe ich mir so meine Ecken eingerichtet – in der Werkstatt zum Beispiel… eine Götterecke…

Ein zweiter Bereich befindet sich in unserem Hauswirtschaftsraum, in dem ebenfalls eine kleine Werkbank von mir steht – darüber dann dies:

Diese kleinen häuslichen Götterecken erinnern jederzeit daran, dass das Heilige im Leben überall anzutreffen ist und nicht nur im Heiligtum, Tempel oder während der Jahresfeste. Etwas weitergefasst lässt sich auch sagen, dass sich die Tradition des Hausaltars fast überall auf der Welt wiederfinden lässt und oft sehr weit zurückreichen.

Den Wuchs lenkt das Wetter

Traue nicht dem frühbesäten Acker, sagt ein Eddaspruch (Hávamál 88), denn veðr ræðr akri, was soviel heißt wie… den Wuchs lenkt das Wetter.

Früher war es so, dass die Ernte nicht das Ergebnis einer Produktionsschlacht gewesen ist, sondern eine Gabe, die dem mitunter von Entbehrungen geprägten Dasein mühsam abgerungen werden musste. Dafür war mancherlei Segen nötig; der Segen der Götter, welche beim Frühlingsopfer angerufen wurden, die huldvolle Hilfe der Landwichte und anderen Wesen in Feld und Flur und zuletzt auch das Wohlwollen der freundlichen Ahnengeister. Dieser Segen war notwendig, um die Gabe der oft harschen Umwelt abzutrotzen – einer Umwelt, in die plötzlich feindliche Mächte einbrechen konnten: übermäßige Dürre oder starke Nässe, Hagelschlag und Gewitterstürme, Überschwemmungen oder Bergsturz können in einem Augenblick die Aussicht auf eine gute Ernte zunichte machen.

Auch heute erleben wir noch dieses Zusammenwirken mit der Natur, sei es auf dem Hof und im Garten oder bei kleinen wie großen Pflanzen. So wird das alltägliche Leben zwar noch nicht zu einer fortwährenden heiligen Handlung, aber es bekommt in einigen Momenten doch eine gesteigerte Intensität, die unmittelbar in die Sphäre der Götter hineinreicht. Daher wird der Lauf des Jahres – und des Lebens – von althergebrachten Kulthandlungen begleitet, die in den bedeutungsvollen Augenblicken in feierliche Feste münden. Im Grunde kann man sagen, dass im profanen Alltag immer auch ein Hauch des religiösen Erlebnisses im Hintergrund mitschwingt. Das nimmt man oft gar nicht wahr, weil Arbeit, Anspannung und Beschäftigung in den Vordergrund rücken. Doch hin und wieder erscheinen diese kurzen Momente, die die Aussicht auf den sonst verhüllten Hintergrund aufreißen.