Das Männliche und Weibliche

Die Diskussion um Geschlechter macht vor dem Heidentum – und somit auch Asatru – keinen Bogen. Versucht man tiefer in die Thematik zu schauen, scheint es sogar noch wilder zuzugehen, als in der Gleichstellungsfrage. Oft erweckt es den Eindruck, gerade naturreligiöse Strömungen seien der Anlaufpunkt für Feminismus und dem Verlangen dem Weiblichen einen höher Stellenwert zu ermöglichen. Der Mythos der Priesterin und Schamanin, die Legenden von Hexen und die damit verbundene Faszination des Sexuellen. Schaut man sich speziell im schamanischen Bereich in Deutschland um, stellt man schnell fest, dass dieser Bereich eindeutig weiblich dominiert ist. Andererseits hängt er nicht immer zusammen mit religiösen Strömungen.

Nun kann man natürlich behaupten, hier wäre jetzt ein sehr breiter Bogen gespannt worden, der alles unter sich vereint, was besonders, anders oder esoterisch ist. Mir stellt sich aber oft die Frage, ob Naturreligionen zum Teil tatsächlich darauf basieren, dass sie die Möglichkeit und den Raum bieten, einfach anders zu sein, Protest zu ermöglichen. Wie wird männlich weiblich denn überhaupt gesehen? Gibt es eine klare Definition?

Aussagen hierzu finden sich viele und speziell auf Asatru bezogen, auch extrem unterschiedliche. Es reicht von der Faszination des weiblichen gerade im Bereich der sogenannten Priesterschaft und Heilkunde bis dahin, dass Asatru ein Männerkult sei. Ich wüsste nicht von eindeutigen Belegen, die das eine oder das andere stützen würden. Patriarchat oder Matriarchat? Spielte dies letztens Ende eventuell nicht einmal eine Rolle?

In der Soziologie wird das Geschlecht als rein von der Gesellschaft geformt betrachtet. Heterosexualität, Homosexualität, Transsexualität – letztendlich wurde diese Zuordnung gesellschaftlich geschaffen. Im englischen gibt es sogar zwei Begriffe hierfür, sex und gender. Wobei sex das biologische Geschlecht und gender, das, was wir daraus formen meint. Das biologische Geschlecht und seine Funktion ist recht eindeutig, was wir daraus machen und welche Attribute wir ihm zuordnen jedoch nicht.

Wie sieht es im naturreligiösen Bereich nun aus? Im Allgemeinen gilt vorwiegend das System des Gleichgewichts, demzufolge es also keine definierte Rangfolge im Sinne eines Patriarchats oder Matriarchats geben sollte. Es gibt den weiblichen Teil und den männlichen Teil, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, die sich gegenseitig ergänzen und damit automatisch anziehen. Manchmal wird von weiblichen und männlichen Kräften in einem gesprochen. Da ihnen unterschiedliche Eigenarten zugesprochen werden, heißt dies rückfolgernd, dass es nur ein Gleichgewicht geben kann, wenn beide zueinander finden.

An dieser Stelle entsteht die Frage, ob dies nicht automatisch Homosexualität ausschließen würde. Ich persönlich würde dem widersprechen. Blicken wir hierfür noch einmal kurz auf die Anfänge der Psychologie. Hier definierte Carl Gustav Jung bereits seine Theorie von Animus und Anima, womit er männliche und weibliche Teile des Unbewussten benannte. Ähnlich, wie oben bereits beschrieben, gibt es also männliche und weibliche Kräfte. Nach Jung jedoch existieren sie beide in derselben Person. Zum Großteil ist es so, dass weibliche Anteile in einem biologisch weiblichen Körper dominieren. Es ist aber nicht auszuschließen, dass weibliche Teile in einem biologisch männlichen Körper dominieren können. Geht man von der oben genannten These aus, dass sich weibliche und männliche Kräfte anzunähern versuchen, um ein Gleichgewicht zu halten, so wäre es logisch, dass sich ein Mann mit dominierend weiblichen Anteilen einem biologisch gleichem Geschlecht zugezogen fühlt. Dies gilt umgekehrt für Frauen natürlich ebenso oder spitzt sich im Bereich des Transsexuellen zu.

Für mich persönlich ergibt dies Sinn, für Andere mag dies jedoch ganz anders sein. Die Diskussion hierüber allerdings belebt und inspiriert und somit bin ich sehr an anderen Darstellungen, Meinungen und Ansichten interessiert.

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