Der spirituelle Weg

Nicht alle Wege führen geradeaus, nicht alle Wege sind geradlinig und viele Wege sind steinig und mühsam. Dies trifft auf spirituelle Wege ebenso zu, wie auf Wanderungen in der freien Natur. Ohne die richtige Karte oder den richtigen Kompass ist man nahezu aufgeschmissen. Manchmal muss man Wege auch ausprobieren, bevor man sich entscheiden kann, welches der bessere ist und manchmal sind Umwege leichter zu bewältigen, als der direkte Weg.

Mein Weg zu Asatru und durch Asatru hindurch gestaltete sich auch nicht gerade als der leichteste. Es gab steile, rutschige Abhänge, Hindernisse, Überflutungen. Es ging bergauf und bergab, an einigen Stellen war der Weg als solcher gar nicht mehr erkennbar. Dennoch würde ich ihn wieder gehen, denn es gab viel zu entdecken und erleben und ich wurde an vielen Stellen mit fantastischen Orten belohnt.

Aufgewachsen bin ich, wie sicher viele in Deutschland, in einer stark christlich orientierten Familie. Sie bestand aus einem lockereren evangelischen Teil und einem sehr konservativen katholischen Teil. Ich bemühte mich dazuzugehören, versuchte zu verstehen. Es gelang mir nie so richtig. Den Konfirmationsunterricht wollte ich auslassen, doch das war nicht möglich. Wie sieht das denn aus, wenn du die Einzige bist, die nicht dorthin geht?, war die Argumentation. Es ging in erster Linie nicht einmal um Religion, sondern um Ansehen. Da man das ja einfach so macht. Die Zeit dort bestärkte mich aber nur umso mehr, dass ich mich völlig fehl am Platz fühlte.

In der Schule wählte ich „Werte und Normen“, das Ersatzfach zum Religionsunterricht. Das erste Mal, dass ich wirklich eine Wahl hatte – zumindest bis zur Oberstufe, dann gab es das Fach nicht mehr. Ich kehrte zurück zum Religionsunterricht und hatte wirklich Glück. Die Lehrerin war eine überzeugte Christin, dennoch war sie tolerant und offen und bemüht einen breitgefächerten Unterricht zu geben. Ich erfuhr durch sie, dass griechische, römische und ägyptische Mythologie und der Polytheismus durchaus im Bereich des Möglichen lagen. Von zu Hause aus, war das ausgeschlossen. Die Menschen damals waren einfach noch nicht gelehrt genug, um die Wahrheit zu erkennen. Ich wurde viel im Bereich der Philosophie unterrichtet, erfuhr von Menschen, die sich akribisch mit religiösen Themen auseinandersetzten, die das Göttliche stärkten, es aber auch verneinten. Ich forschte alleine weiter.

Mich faszinierte diese Thematik enorm, zudem fand ich einen Zugang, der völlig unabhängig von meinem direkten Umfeld war. Ich stieß auf das Keltentum, Wicca, Asatru – ich fühlte mich angekommen, es ergab Sinn für mich und gleichzeitig verzweifelte ich. Menschen, die ähnlich zu denken schienen wie ich, galten als Ökos, Hippies, Freaks. Es war so, dass ich eh schon eher freakig war, als machte es die Sache nicht einfacher. Ich sah keinen Sinn darin, mit nur irgendeinem Menschen über Asatru zu sprechen.

Dann stieß ich auf eine sehr kluge Frau, die keine Schamanin war, aber sich schamanistischer Techniken bediente und dies völlig selbstverständlich. Ich traf auf eine weitere Frau, die Finanzberaterin war, in ihrer Freizeit aber Pferde osteopathisch durch Strömen behandelte und etwas, was mir bisher nur theoretisch denkbar schien, gewann plötzlich an real beobachtbarer Substanz. Ich traf eine weitere Frau, sogar noch jünger als ich, die mir ebenfalls von Strömen und arbeiten mit Energie berichtete, was sie von ihrer Großmutter gelernt hatte. Wenn das, für diese Menschen als totale Selbstverständlichkeit hingenommen, also beobachtbar und somit möglich war, musste dies für den Rest ebenso gelten. Ich fühlte mich deutlich weniger verrückt.

Ab diesem Zeitpunkt an, beschloss ich selbst zu experimentieren, unangeleitet, was vielleicht nicht immer clever war. Später beschloss ich, wenn es diese Zufallsbegegnungen gab, dann musste es ja noch mehr Menschen geben, die ähnlich dachten wie ich, wenn ich erst einmal danach suchen würde. Und ja, dem war so. Dies gab mir viel Kraft, doch ich muss zugeben, dass es mir immer noch nicht leicht fällt, über meinen Glauben zu sprechen. Zögernd berichte ich Freunden davon oder Leuten, die ich gerade erst kennenlerne. Meiner Wohnung sieht man dies allmählich an. Mein Leben wird auch für mich immer selbstverständlicher, gleichzeitig entferne ich mich meiner Familie. Letzteres ist nicht ganz einfach. Dennoch fühle ich mich gut und die Götter mögen mir weiter Mut und Stärke für den Weg geben, den ich mir zu begehen ausgesucht habe.

Gedanke und Erinnerung

Letzten Herbst war ich frühmorgens im Wald unterwegs. Kleine Wanderung, Atmosphäre aufnehmen, Geist öffnen und Gedanken klären und einfach…ja, die Ruhe des Waldes genießen. An einer besonderen Stelle brach der Ruf eines Raben in die Stille – und das war einer dieser Momente, die einem ganz besonders erscheinen, die sich deutlich aus der Alltäglichkeit herausheben und es für einen selbst unvergesslich machen. Ich notierte mir also ein paar Zeilen…

Blassblaue Wolken liegen über dem Wald. Von der Erde umliegender Felder hebt sich feiner Dunst und sättigt die frische Luft des warmen Vortages. Düster wirken die Laub- und Nadelbäume, wenn sie still und unbewegt in der hellen Landschaft emporragen. Die schwarze Erde der umliegenden Felder zu ihren Füßen.

In den Morgenstunden kurz nach Tagesanbruch wandere ich den Weg in den Wald. An einer Kreuzung begegne ich einem Reiter und ruhigen Trabes umfängt ihn auf seinem Pferd die Morgenstimmung. Wir grüßen uns flüchtig, während mich mein Weg weiter auf eine Lichtung führt. Gegen den hellen Himmel stehen in dunkelgrünem Kontrast die hohen Stämme. Langsam zeichnet sich weit oben eine schwarze Kontur ab, am Wolkengrau. Ein dunkler, näher kommender Punkt im Astwerk. Dann erkenne ich ihn, den Raben. Sein schwarzes Gefieder ist so herrlich anzusehen. Mitten in der Lichtung stehe ich und beobachte gebannt seinen Flug. Dann durchbricht der heisere Ruf die Stille und hallt an vielen Baumstämmen wider. Der Ruf eines zweiten Raben folgt etwas leiser in der Entfernung, während auch er sich nähert. Im Widerklang vereinen sich ihre Stimmen.

Ich erkenne, wie sie durch’s Geäst gleiten und sich im Baumwipfel niederlassen, unweit von mir entfernt. Dort werden sie für mich unsichtbar. Als ich weitergehe, erheben sie sich und kreisen über dem Wald. Wieder hallt ihr Rufen über mich hinweg in die Weite des Waldes. Immer wieder kann ich sie direkt über mir erkennen, als würden sie mir folgen. Doch nach und nach verebben ihre Laute während sie höher gleiten. Dann sind sie meiner Sicht entzogen. Kein Hinweis scheint mehr auf diese Begegnung hinzudeuten. Was bleibt sind Gedanke und Erinnerung. Funkelnde Strahlen dringen in der Höhe der Wipfel hervor und verlaufen sich auf dem feuchten Moos am Boden.

Buchbesprechungen Dezember 2020

Am 22.12.2020 haben wir mit den ersten Buchbesprechungen-/ vorstellungen via Skype begonnen. Dörthe stellt folgende Bücher vor:

Der alte Pfad und die Rauhnächte (Alexa Szeli)

Homepage von A. Szeli: www.taste-of-power.de

Ein schönes leichtes Beiwerk. Am Anfang fasst Szeli die wichtigsten Grundlagen der Mythologie zusammen, fokussiert sich stark auf den Frau Holle-Mythos, den sie mit Frigg gleichsetzt. Der zweite Teil konzentriert sich auf Meditationen und Selbstfindung zur Zeit der Rauhnächte, aber auch außerhalb dieser Zeit lesbar und inspirierend.

Wege zu den alten Götter (Vicky Gabriel und William Anderson)

Als Leitfaden zur Priesterschaft gedacht – lässt sich aber auch ohne diese Ambitionen sehr gut lesen. Starker Praxisbezug, wenn auch heidnisch übergreifend und ohne Schwerpunkt, so dass es für viele heidnische Strömungen geeignet ist. Gabriel und Anderson geben viele
Anstöße zur Selbstreflektion und Möglichkeiten selbst in Ritualgestaltungen zu finden.

Nordische Mythen und Sagen (Neil Gaiman)

Hervorragend geeignet für den Einstieg zu Göttersagen und Legenden. Bietet sich an parallel oder vor der Edda zu lesen und vereinfacht den Zugang deutlich für Unerfahrene und Jüngere. Aber auch, wenn man sich schon länger mit der Edda beschäftigt hat, zeigt Gaiman einen sehr angenehmen Erzählstil bekannte Geschichten der Götter zu erzählen. Man fühlt sich ans Lagerfeuer zurückversetzt.

Das Ritual (Victor Turner)

Turner analysiert auf Grund eines Forschungsprojekts die Rituale des afrikanischen Stammesvolkes der Ndembu, zieht Paralellen bis hin zu unserer heutigen Gesellschaft und definiert die Bedeutung von Ritualen für die Gesellschaft. Interessant vor allem der vielen Ähnlichkeiten von Ritualaufbauten zur heidnischen Gebräuchen und wie wir als Asatru unsere Rituale gestalten.

Das große Praxisbuch der Runen (Constanze Steinfeldt)

Hat weder was mit Asatru, noch mit Runen, wie wir sie verstehen zu tun.
Ist aber lustig (Ironie).

Persönliche Empfehlung: Die heidnische Reise – Jahreskreis 2021

Seit vielen Jahren, oder um genau zu sein seit 2013, bringt Dirk Zach den Kalender „Heidnische Reise“ heraus und liefert damit einen vielseitigen und kunstvoll bebilderten Begleiter durch den Jahreskreis. Angenehm empfinde ich dabei seine Beschreibungen, die immer ausgewogen den richtigen Ton treffen und sich nicht nur allein auf germanische und keltische Aspekte konzentrieren, sondern durchaus mal den einen oder anderen Blick über den gewohnten Tellerrand wagen. Denn wer kennt sie nicht… tunnelblickartige und belehrende Texte, oder die autoritär anmutenden Jahrweiser, von denen man nie so genau weiß, in welches Horn sie stoßen.

All dies ist bei Dirk Zach’s Heidnischer Reise erfrischend anders. Hier kann man guten Gewissens zugreifen oder den Kalender auch prima an Freunde verschenken. Naturfotografien bilden das tragende Element.

Heidnische Reise