Der ORT für das Ritual

Oft ist die Frage, wo können wir ein Ritual durchführen? In der Regel ist dies ein Moment, den man ungestört verbringen möchte, in einem geschützten Raum. Nicht jedem steht dieser aber immer uneingeschränkt zur Verfügung. Wie ich, leben sicher viele Menschen in einer kleinen Stadtwohnung, mit Balkon aber höchsten Zugang zu einem Gemeinschaftsgarten. Wobei der unsrige auch nicht mehr als ein schmaler Streifen ist.

Dies bringt das ein oder andere Problem mit sich. In dem Blog-Beitrag über Rituale schrieb ich, dass Opfergaben gerne entweder der Natur überlassen werden (z.B. durch Vergraben) oder in einem Feuer verbrannt werden. Beides wäre in einer Stadtwohnung schwer umzusetzen. Der Weg in die Natur ist eine wunderbare Option, jedoch hier vorsichtig mit Feuer umgehen. Ich erinnere nur an die hohe Waldbrandgefahr im Sommer. Es sollte wenn eine kleine und gesicherte Feuerstelle eingerichtet werden können oder mit etwas Glück eine bereits vorhandene genutzt werden. Opfergaben, die man der Natur überlässt sollten von ihr auch aufgenommen werden können. Also kein Plastik oder andere nicht abbaubare Materialien nutzen.

In einem anderen Beitrag wurde bereits über ein Waldstallar berichtet, einen mobilen kleinen Altar, den man auch mit nach draußen nehmen kann. An manchen Stellen bietet die Umgebung selbst durch Steinformationen oder Erdsenkungen von sich Möglichkeiten für einen Ritualplatz. Wer aufmerksam bei Wanderungen die Augen offen hält, findet vielleicht solche Stellen. Auch hier wieder ermahnt, sie sollten frei zugänglich sein. Niemandem ist geholfen, wenn man sich seinen Weg gewaltsam durch den Wald schlägt, um den perfekten Ort zu finden. Nutzt Wege, die bereits vorhanden sind.

Ein kleines Problem ist dort draußen manchmal jedoch auch, dass es viel Publikumsverkehr geben kann. Dies ist gerade in der Nähe von Großstädten der Fall, wo generell der Zugang zu freier Natur eingeschränkt ist. Ich persönlich kann bei einem Blot aber gerne auf neugierige Blicke verzichten. Für mich musste ich somit eine andere Lösung finden. Diese soll ein praktisches Beispiel sein, kein Vorschlag, dem jeder zustimmen muss.

Für die Opfergaben habe ich eine Holzschale besorgt. Ähnlich wie sich Ritualplätze finden, habe ich diese beim Einkaufsbummel zufällig entdeckt. Eine schlicht Schale aus weichem Holz, die ich dann mit dem Lötkolben bearbeitet habe. Vielleicht nicht das herausragendste Kunstwerk, aber für mich ist an dieser Stelle nicht Perfektion entscheidend, sondern wirklich das Beste gegeben zu haben, was mir an dieser Stelle möglich war und leider bin ich kein ausgesprochen guter Künstler. Diese Schale (oder eher Teller) dient nun zu Ritualen bei mir zu Hause der Darbietung der Opfergaben. Das schöne ist, dass sie noch sehr handlich und somit nahezu überall platzierbar ist. Rituale halte ich aber am Liebsten in meiner Küche ab, da sie für mich der Ort einer Wohnung ist, an dem sich das Leben an sich abspielt und Götter, sowie Rituale, sollten schließlich Teil des Lebens sein.

Problematisch bleibt weiterhin die Übergabe. Die Opfergaben liegen jetzt schon platziert auf einer Opferschale und nun? An dieser Stelle mache ich es mir dann doch ein wenig kompliziert. Der Garten gibt nicht viel her, die Nachbarn würden komisch, irgendwann auch etwas unwirsch gucken. Also platziere ich die Opfergaben nach Ritualende schön in einem kleinen Körbchen, nehme dieses, fahre an eine schöne, erreichbare Stelle, die irgendwie Natur enthält und suche mir dort einen schönen Ort und platziere sie dort erneut. Manchmal muss es ein abgelegenes Plätzchen im Stadtpark oder einer Wiese nahe der Stadt sein. Manchmal ist es mir aber auch möglich weiter hinaus zu fahren und einen Ort im Wald zu finden.

Wichtig ist mir, dass es stimmig erscheint. Es ist vielleicht unbefriedigend an dieser Stelle, aber da verlasse ich mich vertrauensvoll auf mein inneres Gefühl. Es ist so ähnlich, wie die Weisheit mit den Geschenken: Schenke niemals etwas, das du nicht auch selbst geschenkt bekommen wollen würdest. In dem Sinne, platziere also niemals Opfergaben an einen Ort, den du selbst als ungeeignet dafür empfindest. Dann kann man nicht viel falsch machen.

Vielleicht habt ihr eigene Erfahrungen? Lasst uns gerne in den Kommentare daran teilhaben.

Wie ist ein RITUAL gestaltet?

Es gibt sehr viele Anleitungen in der Literatur, in Blogs und auch im Internet, wie Rituale aufgebaut sein können. Interessierten Lesern sei natürlich darauf aufmerksam gemacht, dass sich viel Wissen hierzu auch unter folgendem Link findet: https://www.asentr.eu/festeundrituale.html

Viele Menschen fragen sich an dieser Stelle nach wie vor jedoch oft, wie sich Rituale denn innerhalb des vorgeschlagenen Rahmens entwickeln. Kann man etwas falsch machen? Wie macht man es richtig? Hierzu sei gesagt, dass Rituale etwas sehr individuelles und persönliches sind. Sie hängen zum einen immer stark von dem Zeitpunkt ab, zum anderen aber auch von den Wünschen der Teilnehmenden. Rituale, die auf Grund eines Jahresfestes abgehalten werden, haben einen anderen inhaltlichen Hintergrund, als beispielsweise eine Kindsweihe oder ein Initiationsritus ins Erwachsenenleben. Wie ausgeschmückt ein Ritual dargestellt wird, hängt auch von den persönlichen Vorlieben jedes Einzelnen ab.

Zudem ist auch der richtige Zeitpunkt aus mehrfacher Sichtweise entscheidend. Natürlich sollten Jahresfest bezogene Rituale zeitnah stattfinden. Unser modernes Leben richtet sich in Europa jedoch überwiegend nach christlichen Feiertagen. So wäre doch ein ausschweifendes Mittsommerfest eine echte Verschwendung, wenn ich dies mal eben fix zwei Stunden vor oder nach der Arbeit abhalte. Ähnlich sieht es mit dem Ahnenfest aus. Meine Ahnen werden sich bedanken, wenn ich ihnen mal eben kurz zwischen Tür und Angel zuwinke. Man sollte sich für die Feste Zeit nehmen können, meiner Meinung nach ist das wichtiger, als einen exakten Tag einhalten zu müssen.

Wie aber sieht ein solches Fest überhaupt aus? Wie feiern die Heiden? Im Grunde ganz genauso, wie die Christen, Moslems und Juden auch. Bei uns im germanischen Heidentum nennen wir diese Feste Blot. Wie anderswo auch wird gerne in der Gemeinschaft gefeiert. Der Tag wird besonders bedacht, ist einem bestimmten Ereignis und dazugehörigen Göttern gedacht.

Ein Beispiel: Die Erste Tag-und-Nachtgleiche entspricht im Grunde einem Frühlingsfest. Manche nehmen auch das Sigr-Blot hierfür. Man verabschiedet sich endgültig von dem Winter, bittet Götter wie Freyr, Thor u.a. um ein ertragreiches Jahr und eine günstige Aussaat. Ich habe dafür gesorgt, dass an diesem Tag die Wohnung ganz besonders sauber ist, der vielberühmte Frühjahrsputz. Der ganze Wintermief wurde rausgekehrt. Da ich mit Landwirtschaft wenig am Hut habe und nicht einmal einen Garten besitze, musste der Balkon herhalten. Da es früh im Jahr war, mit den üblichen, noch winterharten Frühjahrsboten. Dies sollte meine „Aussaat“ symbolisieren. Für das spätere Ritual habe ich einen Stein fertig gestellt, der an meine Wünsche über das Jahr erinnern sollte. Diesen werde ich in einem anderen Beitrag auch ausführlicher vorstellen können.

Zum Ahnenfest hingegen habe ich Wert darauf gelegt, diese in mein Blot mit einzubeziehen, auch optisch. Hierfür nutze ich einen starken Ast, der abhängig vom Anlass geschmückt und aufgehangen wird. Ich persönlich neige zu ausschweifender Dekoration. Der Umfang jedoch ersetzt niemals die Liebe, die man hier hat einfließen lassen. Auch für Vorbereitungen oder schmücken des Ritualortes lasse ich mir für gewöhnlich viel Zeit. Für mich beginnt das Blot schon hier, denn schon diese Momente nutze ich für eine innere Besinnung. Für mich haben Rituale immer etwas Besinnliches. Egal, was währenddessen geschieht, es regt meine Gedanken an, die ich oft auch mit den Göttern teilen möchte.

Für mich persönlich gibt es für alles auch einen Preis. Mache ich ein kleines Ritual, in dem ich für persönliche Unterstützung bitte, so sollte die dementsprechende Gabe einen ähnlichen ideellen Wert besitzen. Uns sei es der Aufwand und die Mühe, die man hier herein gesteckt hat, nicht unbedingt der materielle Wert. Dies bedeutet aber auch, Teil der Opfergabe nicht den Apfel werden zu lassen, den man am nächsten Tag eh weggeworfen hätte, da man ihn nicht mehr für genießbar hält.

Zu jedem Fest gehört auch ein entsprechendes Ritual, welches sich deutlich von gewöhnlichen Alltagsritualen, die der eine oder andere vielleicht praktizieren mag, abhebt. Hier gibt es einen Augenblick der Besinnung, die Gedanken werden auf den Anlass des Blots gelenkt. Der Ort des Rituals ist meist ebenso besonders. Nicht jeder hat einen eigenen Hain zu Hause, der sich hierfür eignet. So behilft man sich mit Orten, die Überbleibsel längst vergangener Zeiten sind. Dies sind sie nämlich möglicherweise nicht umsonst. Hügelgräber sind sehr beliebt, alte Eichen auf Feldern, Quellorte. Vielleicht weiß man sogar von alten Ritualplätzen. Wenn es die Umstände nicht anders zulassen, kann es aber auch das eigene Heim sein. Dort wähle ich am liebsten meine Küche, da sich hier das Leben abspielt. Auch diese wird dann besonders hergerichtet, um dem Anlass zu würdigen.

Zu Beginn eines jeden Rituals wird der Ort abgegrenzt, durch das Bilden eines Kreises, wie man ihn am Ehesten vermutlich von den Wicca kennt. In jeder Tradition ist es üblich, sich nach den Himmelsrichungen zur Schließung dieses Kreises zu orientieren. Der Ablauf ist dann jedem selbst überlassen. Die einen mögen es lieber pompös und mysteriös und stellen Kerzen symbolisch hierfür auf, den anderen genügt eine kurze Anrufung der Götter und Elemente. Ist dies erledigt folgt eine kurze Ansprache, die erinnert, warum man sich getroffen hat und was dieser Tag zu bedeuten haben mag. Man richtet seine Gedanken an die Götter, an die Ahnen und die Gemeinschaft, laut oder im Stillen. In einem Trinkhorn (ich selbst nutze alte Tonkrüge meiner Großmutter und bilde so einen engen Bezug zu meinen Ahnen) befindet sich Met, tatsächlich das Lieblingsgetränk unserer Götter. Dieses wird herumgereicht und jeder opfert ein Schluck an die Götter und trinkt schließlich selbst einen, bevor er das Gefäß an den Nächsten weiterreicht.

Feuer und Räucherwerk unterstützen das Ritual, auch sind Opfergaben üblich. Diese kann man der Erde opfern, indem man sie begräbt, oder sie werden dem Feuer übergeben. Bei dem Opfer kommt es nicht immer auf den finanziellen Wert an. Viel wichtiger ist es meiner Meinung dabei, dass man sich Gedanken darüber macht, was man opfern möchte und warum man dies tut. Außerdem sollte man sich Mühe gegeben haben. Mal schnell zur Tankstelle einen Strauß Blumen kaufen ist eher nicht mein Stil. Da gehe ich lieber zum Blumenfeld und schneide die Blumen selbst, wähle sie sorgsam aus und lasse mir Zeit hierbei. Wenn es nicht anders geht, nehme ich auch den Blumenhändler um die Ecke, binde aber danach einen selbst erstellten Strauß und ergänze ihn aus eigenen Mitteln. Thematisch sollte das Opfer zum Fest oder zur Bitte, die man eventuell an die Götter richtet, passen. Ein wenig Grübeln finde ich, zeigt den nötigen Respekt den Göttern gegenüber.

Das Blot endet mit einer ausgiebigen Feier. Ein reich gedeckter Tisch, gerne mit handgemachten Lebensmitteln. Ein selbst gebackenes Brot, frisch gemachte Frikadellen u.ä. bieten sich hier an. Ich sage immer, gestalte ein Festmahl, wie du es besonders lieben Freunden gegenüber gestalten würdest, dann kannst du nicht viel verkehrt machen.

Heilige Julzeit (II)

Von Daniel

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Was war endet – was sein mag wird beginnen.

Liebe Freunde, ich möchte dem Geschehen, das unsere Generation prägt und in Erinnerung bleiben wird, nicht den Platz einräumen, unser wundervolles Fest zu beherrschen. Gleichwohl wird freilich auch diese heilige Zeit von dieser Schwere mit betroffen sein. Und ich empfinde das auch als wichtig, jeder Zeit ihre Zeit einzuräumen.

Jul, das Licht des Tages weicht der Dunkelheit, die heute ihren Höhepunkt erfährt und gleichzeitig die heiligste Zeit im Jahr einläutet. Es beginnen die Nächte, die das Alte mit dem Neuen verbinden und wenn wir zuhören, vernehmen wir das Geflüster unserer Vorfahren, die uns aus der Ferne nah werden wie nie. Besinnen wir uns auf sie, erkennen wir ihren Atem, den auch wir aushauchen – in der vermeintlichen Kälte und der Dunkelheit dieses Tages. Doch unsere Ahnen – und das erkennen wir, wenn wir ihnen lauschen – berichten uns nicht über Sorgen, Trauer und Schwere ihrer Zeit. Sie laden uns ein zu einem gemeinsamen Fest. Wir besinnen uns darauf, dass sie die Täler ihrer Zeit durchschritten haben und wir erkennen, dass jede noch so kleine Entscheidung und Erkenntnis ihrerseits uns bis heute begleitet und letztlich dazu geführt hat, dass wir Teil ihrer Sippe wurden und diese unsere Zeiten überhaupt erleben dürfen.

Als Gott unserer Ahnen können wir in der Julzeit besonders das Wirken Odins als Walvater wahrnehmen. Der Wanderer zwischen den Welten, der in der Zeit, in der der Vorhang, der diese sonst voneinander trennt, dünn und durchlässig erscheint, uns auf unseren Wegen überall begegnen kann und in Andacht und Stille über uns hinwegzublicken scheint. Doch er ist es auch, an den wir uns in dieser Zeit erinnern als jenem, der für die Seinen in die Unterwelt reist und mit den Asen den neuen Jahreskreis erwirkt.

Wir erleben den Einfluss der Götter in diesem winterlichen Wechselspiel zwischen Licht und Dunkelheit aber auch in dem Wirken der schönen Göttin Freya, über das im Hyndlalied berichtet wird. So fordert sie die Winterriesin Hyndla heraus, die Ahnenreihe ihres Getreuen Ottar aufzuzählen.

nun sage die alten Ahnenreihen
und melde mir der Menschen Geschlechter…

Lasst uns nun auf diese Dinge besinnen und uns einkehren in unser Heim, das Wesentliche zu heiligen. Jede Zeit hat ihre Zeit und das menschliche Dasein ist oft geprägt von Zweifel, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit getan zu haben. Lasst uns bescheiden sein in unseren Gedanken und still in unseren Plänen. Denn das ist die Zeit der Julzeit.

Morgen schon werden die Tage länger und das Licht stärker. Mit jedem Tag wird es an Helligkeit gewinnen und so ist das Ende dessen, was war, der Anfang dessen, was sein mag. Und wir werden uns so stark wie selten bewusst, dass das Licht in der Welt nicht nur Wegweiser ist. Es heilt, was es zu heilen gilt und lässt erblühen, was es erblühen soll.

Für ein gutes Jahr und Frieden!

Von Ingmar

Wissenswert: Große Konjunktion am Sternenhimmel

Sie sind zwar noch 730 Millionen Kilometer voneinander entfernt, doch kommen sich Jupiter und Saturn aus der Perspektive der Erde so nahe wie nur selten. Und dies zur Wintersonnenwende in der nördlichen Hemisphäre. Die „Große Konjunktion“ von Jupiter und Saturn findet etwa alle 20 Jahre statt – wie nah sie dabei von der Erde aus erscheinen, ist aber unterschiedlich.

Weitere Infos: Wikipedia Große Kunjunktion

Heilige Julzeit (I)

Ein gemeinsamer Julgruß in die heil’ge Stille, in die besinnlichen Momente der Julzeit. Wir werden sicher später noch mal etwas zu dem ‚Wir‘ schreiben, doch an dieser Stelle möchten wir zunächst eines tun: Euch liebe Leserinnen und Lesern mit unseren persönlichen Gedanken eine besinnliche, erholsame und gesunde Julzeit wünschen.

Von Mona

In den Rauhnächten und bei der Wintersonnenwende sehe ich Odin im Fokus, in einer zerstörerischen Art und Weise. Das Alte vergeht, aber auch das Feuer erlischt, der Sturm vergeht und aus der Asche entsteht wieder Neues. Fruchtbarer Boden, der mit Arbeit, intelligenter Pflanzung, Schutz vor Fressfeinden und Schädlingen und mit günstigem Wetter zu einer reichen Ernte führen kann.

Es gibt viele indigenen Kulturen, so die Samen im hohen Norden, die Maori in Neuseeland, die Maya in Guatemala und Mexico und die Mapuche in Chile. Ich sehe uns in ihren Reihen, auch wenn die Kette der Weitergabe der Traditionen bei uns nicht durchgängig ist. Wenn man aufmerksam ist, dann kann man auch in der Asatru einfache und natürliche Traditionen finden. In starken Naturphänomenen, Wandern, Meditation, Sauna, Gesang, bei Opfergaben an Feuer, Erde, Wasser oder Sumpf, beim gemeinsamen Essen, mit Verständnis des Waldes und der Bauern, finde ich guten Zugang.

Brand entbrennt an Brand, bis er zu Ende brennt,
Flamme belebt sich an Flamme. (Havamal)

Von Dörthe

Für mich ist die Julzeit eine Zeit der Besinnung, der Reflektion. Ein Augenblick, in dem die Erde still steht, um daraufhin von vorne zu beginnen. Wo alles den Atem anhält, sich zurückzieht, abwartend, überlegend. Wir haben die Chance es dem gleichzutun, uns in unsere warmen Decken zu kuscheln, eine Berechtigung zum Nichtstun. Das Feuer im Ofen beobachten, Zeit zu haben, um in sich zu kehren, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Nachzudenken über das, was war und das was wir wollen, sobald wir wieder vor die Tür treten. Wir haben auch Zeit den Göttern näher zu sein, denn der Alltag entschleunigt spürbar.

Die Kälte und der Frost lassen die Erde einen Moment erstarren und geben uns die Möglichkeit der Ruhe, bis es wieder raus geht mit neuen Plänen und neuen Wünschen. Bis es wieder warm genug ist, dass auch die Tiere wieder Lust haben sich zu bewegen, die Pflanzen eine Chance zum Wachsen haben und der Boden soweit aufgetaut ist, dass er bearbeitbar und formbar wird.

Die Nächte umhüllen das Land, die Stürme toben an den Küsten. Die Kräfte, die uns umgeben werden spürbar, erlebbar, entfalten sich, nehmen uns mit oder verschonen uns. Irgendwie ist es auch eine Zeit, in der man sich selbst relativiert, sich zurückzieht in den Kreis der Gemeinschaft. Eine Zeit des Miteinanderredens, Geschichtenerzählens, generell Miteinanderlebens. Es ist eine schöne Zeit, furchteinflößend und nährend zugleich.

Von Ingmar

Auf den Streifzügen durch’s eigene Leben begleiten einen unterschiedliche Dinge, die einem etwas bedeuten – ja, mit denen man viel verbindet. Für mich gehört zum Beispiel die 1996 von Andrea Haugen gegründete Band Hagalaz’ Runedance dazu und daher möchte ich meine Julgedanken mit einem Lied von ihr beginnen…

Rauch von Holz und Harz liegt in der Luft
Ich atme ein den verlockenden Duft
Yulezeit ist da, Yulezeit ist da
~
Im tiefstem Winter, so einsam die Nacht
Die Sonne wendet und Balder erwacht
Stellt das Sonnenrad auf, stellt das Sonnenrad auf
~
Der Tannenbaum in seiner Pracht
Der Yuleast lodert hell durch die Nacht
Stimmungsvolle Ruh, stimmungsvolle Ruh
~
Das Licht am Himmel die Hoffnung bringt
Und Thor wild seinen Hammer schwingt
Kraft fürs kommende Jahr, Kraft fürs kommende Jahr
~
Frey und Freyas Sinnlichkeit
Bringt Liebe, Lust und Fruchtbarkeit
Leben wird weitergehn, Leben wird weitergehn
~
Oh Wintersonne das Fest für Sie
Met, Korn und das Blut unsere Gaben an Sie
Auf ewige Wiederkehr, auf ewige Wiederkehr

Hagalaz’ Runedance – Das Fest der Wintersonne

Der Wald liegt eingehüllt im Morgenlicht der Wintersonne. Der Wald… ein dunkler Streifen am Horizont, wie ein fernes Tor, auf das sich ein schmaler Feldweg zu schlängelt. Eisiges Blattwerk am Wegesrand – der Eingang in eine ganz eigene Welt. Und während ich so dahinstreife wird mir bewußt, wie kontrastreich sich die unbelaubten Stämme von der reflektierenden Schneedecke abheben. Ganz im Gegensatz zur warmen Jahreszeit wirkt der Waldboden richtig hell und man blickt mehrere hundert Meter weit in den Winterwald. Stamm an Stamm, Ast- und Buschwerk – jede Unregelmäßigkeit fällt sofort ins Auge. Und wie der frische Schnee unter meinen Stiefeln knirscht, sehe ich in einiger Entfernung plötzlich eine Gestalt. Abrupt bleibe ich stehen, beobachte und warte auf eine Bewegung. Aber alles bleibt still. Was ist das? Ich kann’s nicht erkennen, es ist zu weit entfernt und verschwimmt im Dunst. Viele Baumstümpfe säumen den Weg und zuletzt gehe ich davon aus, dass es sich um abgestorbenes Holz handeln muss. Als ich meine Richtung ändere um etwas näher zu kommen, verliere ich den Punkt kurz aus den Augen… ein Blick zur Seite, ein Blick zurück und weg ist sie, die eigenartige Silhouette.